Frauen im Naturschutz der Zwischenkriegszeit

Alina Nederegger

Recherchiert man heute unter dem Aspekt des Geschlechtes (Gender) Themen des Natur- und Umweltschutzes, stößt man auf die weitgängige Annahme, dass dieser hauptsächlich von Frauen getragen wird. Es lassen sich zahlreiche Zeilen wie „Studie zeigt wichtige Rolle von Frauen im Naturschutz“1 lesen. Doch ein Blick in die Zwischenkriegszeit zeichnet ein völlig anderes Bild.

Abb. 1: Artikel von Irma Hift-Schnierer im Naturfreund aus dem Jahr 1929. Bild: Irma Hift-Schnierer, Dolomitenzauber, in: Der Naturfreund 33 (1929), Heft 5/6, S. 193.

In der Zwischenkriegszeit war der Naturschutz noch fest in männlicher Hand, Beiträge von Frauen findet man selten. Doch wie sah ihr Zuständigkeitsbereich tatsächlich aus? Welche Themen behandelten sie, und warum waren sie so stark unterrepräsentiert? Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, führte ich eine geschlechterspezifische Untersuchung der Zeitschriften Blätter für Naturkunde und Naturschutz und Der Naturfreund durch, wobei die erste bürgerlich und die zweite der Arbeiterbewegung zuzuordnen ist.

Abb. 2: Erste Seite der Blätter für Naturkunde und Naturschutz aus dem Jahr 1930. Bild: Blätter für Naturkunde und Naturschutz 17 (1930), Heft 1, S. 1.

Zwischen 1924 und 1934 wurden insgesamt 104 Ausgaben der Blätter für Naturkunde und Naturschutz veröffentlicht, doch nur in sieben fanden sich Beiträge von Frauen. Insgesamt konnten neun Artikel drei verschiedenen Autorinnen zugeordnet werden: Mimi König, Maria Jordan und Elly Rautezky. Dabei hat Jordan Gedichte verfasst, welche beispielsweise die Vielfalt des Waldes als Thema behandelten.2 Rautezky schrieb über eine Begegnung mit einer Schwalbe, die sie gesund pflegte.3 Mimi Königs Texte konzentrieren sich auf Themen wie Gärten und die darin lebenden Tiere.4 Ihre Beiträge stützten sich hauptsächlich auf eigene Beobachtungen. Zusätzlich sprach sie häufig Empfehlungen aus, wie die Gesellschaft im Alltag achtsamer mit der Natur umgehen könnte, schlug jedoch keine systematischen Lösungsansätze vor.

Abb. 3: Titelseite des Naturfreundes aus dem Jahr 1925. Bild: Der Naturfreund 29 (1925), Heft ½, S. 1.

Im Naturfreund fanden sich mehr Beiträge von Frauen – insgesamt 22 in 61 Ausgaben. Viele dieser Autorinnen wurden nur einmal erwähnt, jedoch stachen Margarete Petrides, Adda Veidl und Irma Hift-Schnierer mit jeweils mindestens drei Beiträgen heraus. Diese Artikel können in drei Kategorien unterteilt werden: Gedichte5, Erzählungen über persönliche Wanderungen6 und Berichte von Neuigkeiten7.  Acht der 22 Beiträge waren Gedichte, die meist nur einen kleinen Teil einer Seite einnahmen. Wandererlebnisse und Neuigkeiten, wie die Eröffnung neuer Herbergen, nahmen oft mehr Platz ein und zielten darauf ab, Leser:innen aus der Arbeiterschaft über interessante Entwicklungen zu informieren. Innerhalb des Naturfreundes finden sich außerdem auch politische Themen, die meist von Irma Hift-Schnierer behandelt wurden. In einem ihrer Artikel kritisierte sie beispielsweise die wirtschaftlichen Auswirkungen des italienischen Faschismus auf deutschsprachige Italiener und betonte die soziale Verantwortung, alle Menschen zur Natur zu führen.8 Ihre Beiträge waren länger und behandelten außerdem Themen wie die Beziehung von Kindern zur Natur.9

Im Naturfreund waren also in 31 Prozent der Ausgaben Frauen vertreten, bei den Blättern für Naturkunde und Naturschutz nur in sieben Prozent. Von einer Ausgewogenheit des Geschlechts der Autor:innen kann bei beiden Zeitschriften nicht gesprochen werden. Die Differenz zwischen den Geschlechtern wird noch deutlicher, wenn man die Länge der Beiträge, welche von Frauen bzw. Männern verfasst wurden, vergleicht. In den „frauenstärksten“ Jahrgängen der Zeitschriften (1930 für Blätter für Naturkunde und Naturschutz und 1925 für den Naturfreund) nahmen die Beiträge von Frauen weniger als drei von 115 Seiten (Blätter) und knapp über sechs von rund 200 Seiten10 (Naturfreund) ein.

Da es sich bei vielen der Artikel von Frauen um Gedichte oder Eigenerfahrungen handelt, waren ihre Texte außerdem weniger wissenschaftlich fundiert. Frauen aus der bürgerlichen Schicht schrieben oft über private Sphären wie den Garten, während Arbeiterinnen öffentliche Naturerlebnisse wie Wanderungen oder neue touristische Möglichkeiten thematisierten. Beide Gruppen setzten sich weniger mit dem Naturschutz selbst auseinander als ihre männlichen Kollegen.11

Die Marginalisierung von Frauen aus dem Naturschutz hatte mehrere Gründe. Einer davon waren die begrenzten Bildungsmöglichkeiten für Frauen zu dieser Zeit. Gesetzlich wurden die Universitäten bis in die Zwischenkriegszeit bereits für Frauen geöffnet, dennoch waren Hörerinnen noch lange an zahlreichen Bildungseinrichtungen stark unterrepräsentiert.12 Dies spiegelte sich auch in den untersuchten Zeitschriften wider, wo männliche Autoren häufiger als Fachleute auftraten.13 Untersuchungen zu den Geschlechterverhältnissen der Zwischenkriegszeit zeigen zudem, dass Frauen bei weitem noch nicht als gleichberechtigt mit dem Mann galten. In Bezug auf Arbeit bedeutete dies, dass noch häufig Diskurse vorherrschten, welche „Frauen ihrer Familie, ihren Kindern zurückgeben“14 wollten. Je nach politischer Ausrichtung wurde auch mit der „Natur der Frau“ als Mutter und Ehefrau argumentiert.15 In Arbeiterfamilien lockerte sich der patriarchale Charakter etwas, und Frauen fanden zunehmend Zugang zur öffentlichen Sphäre, was sich in einem leicht erhöhten Anteil von Autorinnen in der Zeitschrift Der Naturfreund niederschlug. Dennoch waren die Lebensrealitäten vieler Frauen durch eine Doppelbelastung von Berufs- und Hausarbeit gekennzeichnet, was ihre Möglichkeiten zur Weiterbildung und zum Engagement in Bereichen wie dem Naturschutz einschränkte.16

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Männer im Naturschutz weitaus mehr Platz einnahmen als Frauen. In beiden herangezogenen Naturschutzzeitschriften befanden sich deutlich mehr Beiträge von Männern als von Frauen. Nicht nur die Anzahl der Artikel war unausgewogen, auch die Länge der Texte unterschied sich stark. Die Artikel von Frauen waren oft kürzer und weniger wissenschaftlich fundiert. Die Inhalte der Beiträge von Frauen konzentrierten sich häufig auf persönliche Erfahrungen und Beobachtungen in der Natur. Ein weiterer auffälliger Aspekt war das Fehlen von Beiträgen zum Naturschutz durch Frauen in beiden Zeitschriften, während männliche Autoren sich explizit mit diesem Thema beschäftigten. Insgesamt spiegeln die Inhalte und die begrenzte Präsenz von Frauen in beiden Zeitschriften die sozialen und kulturellen Rahmenbedingungen der Zeit wider, insbesondere die Rolle der Frau in der Gesellschaft und ihre Zugangsmöglichkeiten zu bestimmten Themenbereichen wie dem Naturschutz.


Zum Weiterlesen

  • Leibniz Universität Hannover, Frauen in den Anfängen des Naturschutzes – Spurensuche 1900-1933, Hannover, 07.08.2023, [https://www.umwelt.uni-hannover.de/de/institut/einrichtungen/verleihbare-ausstellungen/frauen-in-den-anfaengen-des-naturschutzes/ausstellungstexte], eigesehen am 02.01.2024.

  1. Oroverde – Gemeinsam für Tropenwälder, Studie zeigt wichtige Rolle von Frauen im Naturschutz, ohne weiteren Angaben, [https://www.regenwald-schuetzen.org/presse/studie-zeigt-wichtige-rolle-von-frauen-im-naturschutz], eingesehen am 26.11.2023.  ↩︎
  2. Maria Jordan, Waldesweben, in: Blätter für Naturkunde und Naturschutz 19 (1931), Heft 6, S. 93.
    Maria Jordan, Mahnung, in: Blätter für Naturkunde und Naturschutz 19 (1931), Heft 6, S. 93.
    Maria Jordan, Unkraut, in: Blätter für Naturkunde und Naturschutz 20 (1932), Heft 9, S. 141. ↩︎
  3. Elly Rautezky, Dorfschwalbe aus Oberösterreich, in: Blätter für Naturkunde und Naturschutz 18 (1930), Heft 5, S. 72–73. ↩︎
  4. Mimi König, Tätiger Vogelschutz, in: Blätter für Naturkunde und Naturschutz 14 (1926), Heft 2, S. 23.
    Mimi König, Die Katzenplage, in: Blätter für Naturkunde und Naturschutz 15 (1927), Heft 10, S. 152–153.
    Mimi König, Vom Winterfutterplatz, in: Blätter für Naturkunde und Naturschutz 16 (1928), Heft 4, S. 52.
    Mimi König, Der ordentliche Garten, in: Blätter für Naturkunde und Naturschutz 18 (1930), Heft 4, S. 62.
    Mimi König, Tiere und Pflanzen im Frühjahr, in: Blätter für Naturkunde und Naturschutz 18 (1930), Heft 5, S. 72. ↩︎
  5. Bspw.: Margarete Petrides, Abend, in: Der Naturfreund 32 (1928), Heft 1/2, S. 15.  
    Ida Trubig, Nachtwanderung, in: Der Naturfreund 28 (1924), Heft 1/2, S. 45. 
    Wilhelmine T., Hochwasser, in: Der Naturfreund 28 (1924), Heft 11/12, S. 143.
    Anny Herz, Die junge Birke, in: Der Naturfreund 29 (1925), Heft 11/12, S. 181. ↩︎
  6. Bspw.: Anna Psula, Eine Wanderung ins böhmisch-sächsische Sandsteingebirge, in: Der Naturfreund 29 (1925), Heft 11/12, S. 178–179, hier S. 178.
    Käthe Übeleis, Ein stilles Bergparadies, in: Der Naturfreund 29 (1925), Heft 3/4, S. 50.
    Hanna Waldeck, Zum Bradenholz. Eine Wanderung junger froher Menschen, in: Der Naturfreund 29 (1925, Heft 9/10, S. 156–157, hier S. 156.
    Luise Kernbichler, Wanderung durch die Tscheppaschlucht, in: Der Naturfreund 30 (1926), Heft 9/10, S. 175.  ↩︎
  7. Bspw.: Lina Lüthe, Ein Tag der Freude. Zur feierlichen Eröffnung des neuen Ski- und Ferienheims auf Stoos der Ortsgruppe Zürich, in: Der Naturfreund 28 (1924), Heft 1/2, S. 4–6.
    Adda Veidl, Von der Talherberge in Schladming zur neuen Wiesenberghütte im Dachsteingebiet, in: Der Naturfreund 31 (1927), Heft 1/2, S. 8–12.
    Adda Veidl, Mit der Seilbahn auf die Rax, in: Der Naturfreund 30 (1926), Heft 7/8, S. 143–145.
    Adda Veidl, Ein Stück moderner Arbeit in unseren Bergen. Das Stubachkraftwerk und seine alpine Umgebung, in: Der Naturfreund 32 (1928), Heft 9/10, S. 194–197. ↩︎
  8. Irma Hift-Schnierer, Dolomitenzauber, in: Der Naturfreund 33 (1929), Heft 5/6, S. 193–195. ↩︎
  9. Irma Hift-Schnierer, Lieben Kinder die Natur?, in: Der Naturfreund 36 (1932), Heft 5/6, S. 115–116. ↩︎
  10. Hier wurden der zum Teil angehängte „Gaubote“ und die Werbeseiten nicht miteinbezogen. ↩︎
  11. Bspw.: Michael Müllner, Das niederösterreichische Naturschutzgesetz, in: Der Naturfreund 19 (1925), Heft 1/2, S. 22–23.
    Oswald Irlweck, Naturschutzgrenzen?, in: Blätter für Naturkunde und Naturschutz 13 (1926), Heft 2, S. 17–19. 
    Richard Lostorfer, Naturschutz und Wildnis, in: Blätter für Naturkunde und Naturschutz 14 (1927), Heft 10, S. 141–146. ↩︎
  12. Elke Schuster, „Ihrer Inscription als ausserordentliche Hörerin an unserer Universität steht nichts im Wege“. Die Anfänge des Frauenstudiums an der Philosophischen Fakultät, in: Alois Kernbauer / Karin Schmidlechner-Lienhart (Hrsg.), Frauenstudium an der Universität Graz, Graz 1996, S. 18–37, hier S. 18; Alois Kernbauer, Statistik des Frauenstudiums an der Karl-Franzens-Universität Graz im Zeitraum von 1910-1963, in: Alois Kernbauer / Karin Schmidlechner-Lienhart, Frauenstudium und Frauenkarrieren an der Universität Graz, Graz 1996, S. 167–192, hier S. 188–189. ↩︎
  13. Bspw.:  F. Maidl, Die Ameise, das sozialste Lebewesen, in: Der Naturfreund 30 (1926), Heft 7/8, S. 146–148.
    Oskar Barta, Fünfzehn Jahre später – Die Wandelungen eines Stückes vom Wald- und Wiesengürtel Wiens, in: Blätter für Naturkunde und Naturschutz 18 (1931), Heft 6, S. 81–85. ↩︎
  14. Volkszeitung, 20.07.1923. Zit. aus: Agnes Kinigadner Eberharter, Tiroler Anzeiger – Volkszeitung und die Situation der Frau im Tirol der Zwischenkriegszeit (Dipl.), Feldthurns – Innsbruck 1988, S. 47. ↩︎
  15. Kinigadner Eberharter, Tiroler Anzeiger – Volkszeitung, S. 46–49. ↩︎
  16. Edith Rigler, Frauenleitbild und Frauenarbeit in Österreich vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg, Wien 1976, S. 38. ↩︎

Alina Nederegger studiert im Master Geschichte und im Master Gender, Kultur und sozialer Wandel an der Universität Innsbruck. 


OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
Alina Nederegger (3. Februar 2025). Frauen im Naturschutz der Zwischenkriegszeit. Naturschutzgeschichte(n). Abgerufen am 14. Februar 2025 von https://naturschutz.hypotheses.org/1706


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